Ich kann keinen Urlaub machen – oder?

Ein Kunde hat seit 4,5 Jahren keinen Urlaub gemacht und spricht das während unseres Termins an. Er meint, er könne ja nicht einfach frei machen, auch wenn es so bitter nötig sei.

Unser Gespräch über den unmöglichen Urlaub

Woran es denn liege, dass er nie frei machen könne, will ich wissen.

Nie stimmt ja nicht, am Wochenende lasse er das Laptop ganz tapfer zu. Und er habe auch schon mal einen Tag frei gemacht. Aber länger sei unmöglich! Nicht auszudenken, was alles passieren könne, wenn er mal wirklich eine Woche offline sei.

Was könne denn alles passieren?

Es könnte eine Rechnung kommen. Dann wird sie nicht direkt überwiesen, sondern erst nach einer Woche.

Gibt es denn unter den Lieferanten welche mit einer Zahlungsfrist von unter einer Woche?

Eigentlich nicht. Normal sind 2 oder 4 Wochen. Und im Zweifel könne man das ja auch neu verhandeln. Aber überwiesen wird immer direkt, schließlich sollte man Zuverlässigkeit zeigen.

Kennst du denn jemand anderen, der sich bei jeder eigehenden Rechnung direkt an die Überweisung setzt?

Nein, da bin ich Spitzenreiter und ganz zuverlässig.

Reagierst du auch sofort bei jeder Mail, die reinkommt?

Nein, das wäre keine effiziente Arbeitsweise.

Bei Rechnungen aber schon?

Naja, vielleicht würde es auch ausreichen, alle 2-3 Tage zu überweisen.

Kommen denn alle 2-3 Tage Rechnungen?

Das meiste geht automatisch vom Konto.

Kann man den Rest umstellen oder tatsächlich 5 Werktage liegen lassen?

Ja, wenn ich so darüber nachdenke, dann ist das absolut möglich.

Was könnte denn noch passieren, wenn du eine Woche Urlaub machst?

Es könnte etwas Schlimmes passieren und dann bin ich nicht erreichbar. Stell dir vor das Büro brennt ab. Oder ich bekomme DIE Anfrage meines Lebens. Und ich sitze in diesem Moment gerade am Strand.

Ja, wie wäre das?

Na, ich müsste den Strand verlassen und ins Büro oder ans Laptop gehen – löschen würde ja erstmal die Feuerwehr, ein geiles Angebot schreiben kann ich auch vom Laptop im Urlaub.

Und dann?

Ja, dann würde das vielleicht ein paar Stunden Verzögerung geben. Was aber nicht schlimm wäre. Keiner erwartet eine Reaktion innerhalb von ein paar Minuten. Aber irgendwie müsste ich ja am Strand davon erfahren und das geht nicht, wenn ich nicht online bin.

Ach so, es gibt niemanden, der diese essenziellen Notfälle mit im Blick hat?

Ja schon, meine Assistentin. Aber die will ich ja damit nicht belasten.

Aber mit einem Chef, der sich 4 Jahre nicht erholt hat?

Oh, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Es stimmt schon, ein Urlaub könnte mal richtig guttun. Und sie würde mich auch sicher unterstützen wollen. Aber ich will sie nicht unter Druck setzen.

Das ist rücksichtsvoll, aber wäre es für ihre Assistentin denn Druck?

Ja sicher, diese ganze Verantwortung wiegt wirklich schwer.

Müsste sie denn die volle Verantwortung tragen?

Nein, ich wäre ja auf Abruf erreichbar und sie müsste nur kurz die Verantwortung tragen.

Also könnte es machbar sein?

Ja, eigentlich schon.

Kannst du sie mal fragen, ob sie sich das vorstellen kann?

Ja, ich rede morgen sowieso mit ihr, da kann ich das gleich mit ansprechen.

Was könnte noch passieren, wenn du eine Woche im Urlaub bist?

Ich könnte nicht abschalten.

Ist es das Risiko wert?

Klar, abschalten kann ich ja hier auch nicht. Im schlimmsten Fall arbeite ich also im Hotel, statt im Büro.

Zwei Wochen danach gab es einen kurzen Test-Urlaub von Mittwochmittag bis Sonntag. Mit der Assistentin wurde nochmal genau besprochen, was ein Notfall ist und dass sie lieber einmal zu viel anrufen solle. Einen Monat später gab es dann die erste ganze Woche Urlaub nach 4,5 Jahren.


Unsere 5 Tipps für alle, die ganz dringend Urlaub brauchen

  1. Lege fest, was für dich ein Notfall ist, bei dem du während deiner Abwesenheit kontaktiert werden willst. Du kannst nicht alle Eventualitäten berücksichtigen, gibst aber deiner Vertretung einen guten Anhaltspunkt für ihre Einschätzung eines Notfalls.
  2. Informiere alle über deine Abwesenheit. Du kannst im Footer deiner Mails schon vorab eine Info einbauen. Denk auch an eine automatische Abwesenheitsnotiz für eingehende Mails mit den wichtigen Infos und deinen Anrufbeantworter.
  3. Plane die Übergabe nicht auf den letzten Drücker. Terminiere sie mindestens ein paar Tage vor deinem Urlaubsbeginn, sodass eventuell noch auftretende Fragen geklärt werden können.
  4. Vereinbare ein Update direkt nach dem Urlaub mit deiner Vertretung. Dann bist du direkt wieder auf dem neusten Stand.
  5. Profi-Tipp: Wenn es gut gelaufen ist, lass die übergebenen Aufgaben bei denen, die dich vertreten haben. So hast du nach dem Urlaub dauerhaft mehr Zeit für deine Kernaufgaben!

Und falls du niemanden hast, der dich vertritt: Wir übernehmen das gerne 😉